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08.08.2006, 11:17
Diamantenfieber
Die folgende Geschichte hat sich tatsächlich so zugetragen.
Es ist eine von denen, die man noch seinen Enkeln erzählt...
Sommer, neunzehnhundertachtzig.
Kaum hatten die Ferien begonnen, waren die Leute verschwunden. Weder an den Szeneplätzen noch in den einschlägigen Lokalen traf ich auf ein bekanntes Gesicht. Alle waren auf und davon, in Spanien, Griechenland, Italien und weiß der Kuckuck, wo noch. Missmutig schlurfte ich durch die Fußgängerzone einer Kleinstadt in Rheinland-Pfalz. Was tust du hier, Mann, fragte ich mich, der Himmel ist blau, die Sonne scheint, alle sind im Urlaub, du bist achtzehn und die Welt steht dir offen, also: was? Ich wusste es nicht.
Mein Blick fiel auf einen kleinen Laden, der Straßenkarten, Stadtpläne, Reiseführer und Atlanten verkaufte. Kaum zwei Augenblicke später stand ich im Laden und hörte mich zur Verkäuferin sagen: „Ich brauche eine Karte von Frankreich.“ Während sie danach suchte, sah ich vor mir das Meer. Ich konnte die Wellen hören und das Salz riechen (obwohl ich vorher noch nie am Meer gewesen war) und ich dachte: noch vierundzwanzig Stunden.
Meine Barschaft betrug einhundertzwanzig Deutsche Mark. Ich kaufte mir ein Brot und eine Salami, packte ein paar Klamotten in meinen Rucksack, lieh mir von meiner Oma einen kleinen Topf, band ihn und meinen Schlafsack am Rucksack fest und schnappte mir meine Gitarre. Es war früher Nachmittag und ich dachte noch einmal: vierundzwanzig Stunden, dann bist du am Meer.
Am nächsten Morgen stand ich bereits an der Nationalstraße südlich von Besancon. Die Hälfte der Strecke hatte ich hinter mir und ich war gut in der Zeit. Ich hatte noch nicht lange meinen Daumen im Wind, als ein recht neuer Mittelklassewagen hielt. „Lyon?“, fragte ich, nachdem ich die Beifahrertür geöffnet hatte. Der Fahrer, ein Mittvierziger im dunklen Anzug, antwortete: „Oui.“ Ich verstaute meine Siebensachen auf der Rückbank und stieg ein. „Merci“, sagte ich und der Fahrer begann ein Gespräch noch bevor er in den zweiten Gang geschaltet hatte. „Do you speak English?“, unterbrach ich ihn, da ich der französischen Sprache nicht mächtig bin. Zu meiner Verwunderung antwortete er mit „yes“. Franzosen, die fremde Sprachen sprechen, sind eher selten und wir begannen ein Gespräch über Gott und die Welt. Irgendwann kamen wir auf seinen Beruf zu sprechen und er erklärte, er sei Handlungsreisender in Sachen Diamanten. Ich zeigte mich ziemlich beeindruckt und gab zu, von Diamanten keinen blassen Dunst zu haben. Er forderte mich auf, seinen Aktenkoffer vom Rücksitz zu nehmen und ihn zu öffnen. Ich tat wie geheißen. Sofort sprang mir ein kleines Plastiktütchen in die Augen. „Du kannst es ruhig aufmachen und dir die Steine ansehen“, sagte er vergnügt. Mein Herz schlug ein wenig schneller und vermutlich hielt ich in diesem Augenblick den Atem an. Ich entfernte die Klammer des Tütchens und schüttete mir die Steine in die Handfläche. Diamanten!
Ich bin sicher, dass er mich aus dem Augenwinkel beobachtet hatte, aber ich nahm es nicht wahr. Gebannt hingen meine Augen an den geschliffenen Schätzen. Ich nahm einen Stein zwischen Daumen und Zeigefinger und hob ihn hoch. Das Licht brach sich darin und er funkelte und glitzerte. Ich legte ihn zurück, nahm den nächsten, betrachtete ihn und den übernächsten und den überübernächsten...
Es mussten einige Minuten vergangen sein. Ich hatte das Zeitgefühl verloren. Gebannt starrte ich auf die Diamanten. Einen solchen Anblick kennt man nur aus dem Kino, nicht einmal bei einem Juwelier konnte man so viele und so große Steine betrachten. Als ich mich endlich satt gesehen hatte, schüttete ich die Steine vorsichtig wieder in das Tütchen. Ich verschloss es und legte es zurück in den Aktenkoffer. Ich bin mir nicht sicher, ob ich erst in diesem Augenblick wieder zu atmen begonnen hatte, es würde mich auf jeden Fall nicht wundern. Ich legte den Aktenkoffer wieder auf die Rückbank und sah den Fahrer an. „Mann“, sagte ich schließlich, als ich meine Fassung wieder gewonnen hatte, „ich hatte gerade ein Vermögen in meinen Händen.“ Er antwortete nicht. „Was wäre, wenn ich jetzt einen Stein für mich behalten hätte? Sie konnten doch nicht sehen, ob ich alle Steine wieder in die Tüte zurückgetan habe.“ „Nicht der Rede wert“, antwortete er grinsend, „das sind bloß Imitate aus Glas. Wenn ich echte Steine bei mir habe, nehme ich keine Tramper mit.“
FREEMAN
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08.08.2006, 11:30
Hallo Freeman
Schöner start in den Urlaub.
Hat er dir einen geschenkt?
Hat dich danach das Diamantenfieber gepackt?
Grüsse
Ewald
14.08.2006, 13:56
Hallo Ewald,
nein, er hat mir keinen Stein geschenkt - ich habe aber auch nicht danach gefragt, weil ich einfach zu perplex war.
Das Diamantenfieber hat mich nicht gepackt, denn das ist finanziell nicht gerade meine Kragenweite.
Gruß
FREEMAN
15.08.2006, 12:36
Hehe, wirklich schöne geschicht, und auch sehr schön geschrieben. aber bei dem tütchen habe aich auch gleich an zirkonia gedacht, alleine wegen der verpackungsform, und das ein fremder die anfassen durfte. diamanthändler mögen es garnicht, wenn man fettabdrücke auf die steine macht...
grüße
goOse