Steinzeitmenschen waren eitel
Wiesbaden - Schon die Jäger und Sammlerinnen aus der Steinzeit sind eitel gewesen. Sie haben sich bereits geschmückt, geschminkt, rasiert und ordentlich gekämmt. Dies berichtet der Wissenschaftsautor Ernst Probst aus dem Wiesbadener Stadtteil Mainz-Kostheim in seinem Taschenbuch "Rekorde der Urzeit" (ISBN 3-570-20953-9. Nachfolgend eine Leseprobe:
Die ältesten Schmuckstücke stammen aus der Zeit der späten Neandertaler zwischen etwa 115000 und 35000 Jahren. Zu den sehr seltenen Funden dieser Art gehören ein Fuchszahn mit angefangener Durchbohrung von La Quina in der Charente (Frankreich) sowie ein durchbohrter Schwanzwirbel vom Wolf und ein anderes durchbohrtes Knochenstück vom Wolf aus der Bocksteinschmiede im Lonetal in Baden-Württemberg (Deutschland). Diese Funde belegen, dass auch manche Neandertaler schon Anhänger als Schmuck getragen haben. Vielleicht gab es darüber hinaus damals auch Schmuckstücke aus Holz, Federn, Leder oder Geflecht, die sich nicht erhalten haben.
Der älteste Schmuck aus der Zeit der ersten Jetztmenschen oder Cro-Magnon-Menschen stammt aus dem Aurignacien zwischen etwa 35000 und 29000 Jahren. Aus dieser Kulturstufe der Altsteinzeit kennt man auch durchbohrte Schneckengehäuse, Tierzähne vom Eisfuchs und Steinbock, Elfenbein-Anhänger und Ammoniten. Alle diese Stücke hatte man durchbohrt, um sie als Anhänger tragen zu können. Funde von Schmuckstücken aus dem Aurignacien kennt man aus Frankreich, Deutschland und Österreich.
Zu den ältesten durchbohrten Schmuckschnecken gehören die Funde aus dem Aurignacien vor mehr als 30000 Jahren von Königsbach-Stein, Enzkreis, in Baden-Württemberg (Deutschland) sowie von Kamegg und Krems-Hundssteig (Österreich).
Zu den frühesten Tierzahnanhängern gehören durchlochte Zähne vom Eisfuchs aus der Brillenhöhle und Geißenklösterlehöhle (beide bei Blaubeuren in Baden-Württemberg) sowie aus Breitenbach (Thüringen) in Deutschland. Sie stammen allesamt aus dem Aurignacien vor mehr als 30000 Jahren. Ähnlich alt sind auch die durchlochten Zähne vom Steinbock aus der Geißenklösterlehöhle.
Als die ältesten Elfenbeinanhänger gelten kleine knopfartige, ovale Funde mit doppelter Durchlochung aus der Geißenklösterlehöhle bei Blaubeuren und Tierfiguren mit Öse aus der Vogelherdhöhle, Kreis Heidenheim, in Baden-Württemberg (Deutschland). Zu den schönsten, aus Mammutelfenbein geschnitzten Tierfiguren mit Öse gehört das 5 Zentimeter lange Wildpferd aus der Vogelherdhöhle. Dieser Fund wird zu den ältesten Kunstwerken gerechnet. All die erwähnten Elfenbeinanhänger werden in das Aurignacien vor mehr als 30000 Jahren datiert.
Zu den ältesten Halsketten gehören die mehr als 30000 Jahre alten Funde aus der Brillenhöhle bei Blaubeuren (Deutschland). Dort entdeckte man eine Halskette aus Elfenbeinanhängern sowie durchlochte Zähne vom Eisfuchs und Steinbock sowie Perlen aus Röhrenknochen von Schneehasen, die als Bestandteile von Halsketten gelten.
Die ältesten Reste von Schminkstiften kennt man aus Siedlungen und Gräbern der jüngeren Altsteinzeit in Europa zwischen etwa 35000 und 10000 Jahren. Es sind Ocker- und Rötelstücke, die man zu Pulver zerreiben und durch Hinzutun von Wasser oder Fett zu einer Farbpaste verrühren konnte. Ocker ist eine eisenhaltige Tonerde mit roter, gelber oder brauner Farbe. Bei Rötel handelt es sich um Roteisenstein mit Farbtönen von Gelb bis Dunkelrot. Rot galt nach Ansicht vieler Prähistoriker bei den Jägern und Sammlern der jüngeren Altsteinzeit in Europa als die Farbe des Blutes, des Lebens, der Gesundheit und der Festlichkeit. Während der jüngeren Altsteinzeit wurden häufig Verstorbene mit Ocker- oder Rötelpulver überstreut. Diese Sitte ist beispielsweise bei den Bestattungen von Kostenki, Fundplatz XIV (Russland), Oberkassel bei Bonn (Deutschland) und La Madeleine (Frankreich) belegt. Aber auch die Lebenden dürften sich bei bestimmten Gelegenheiten - etwa bei der Aufnahme von Jugendlichen in den Kreis der Erwachsenen - festlich das Gesicht oder Teile des Körpers bemalt haben.
Die ersten Darstellungen von Frisuren sind auf Kunstwerken aus dem Gravettien vor mehr als 21000 Jahren zu sehen. Dazu gehören das aus Mammutelfenbein geschnitzte Köpfchen einer Frau von Dolni Vestonice in Tschechien, die aus Kalkstein geschaffene "Venus von Willendorf" in Österreich und eine "Venusfigur" von Gagarino (Russland). In all diesen Fällen ist eine bewusste Frisur zu erkennen.
Die früheste Darstellung eines bärtigen Männergesichtes wurde in Brno (Brünn) in Tschechien entdeckt. Dabei handelt es sich um eine aus Mammutelfenbein geschnitzte Männerfigur aus dem Gravettien vor mehr als 21000 Jahren. Die Figur besteht wie eine Puppe aus mehreren Teilen: nämlich dem Kopf mit bärtigem Kinn, Rumpf, Armen und Beinen. Der Kopf dieser Figur ist schwach mit Ocker gefärbt.
Die ältesten Darstellungen von glattrasierten Männergesichtern stammen aus dem Magdalénien vor mehr als 11500 Jahren. Neben diesen Abbildungen von bartlosen Männergesichtern aus Frankreich (Gourdan, Isturitz, La Madeleine) und Deutschland (Gönnersdorf) liegen aus dieser Zeit auch Motive mit bärtigen Männergesichtern vor. Die "Mode" war demnach damals nicht einheitlich. Der Bart wurde vermutlich mit einem scharfkantigen Feuersteinmesser geschnitten beziehungsweise abrasiert.
Die ersten Kämme hat man in Skandinavien entdeckt. Dabei handelt es sich um kammartige Geräte aus Knochen, die in der Mittelsteinzeit vor weniger als 8000 v. Chr. angefertigt wurden.
Zu den ersten Kämmen Deutschlands gehören zwei Funde aus Gräbern der Linienbandkeramischen Kultur vor mehr als 5000 v. Chr. in Bayern. Sie wurden bei der Bestattung einer Frau und eines Mannes im Friedhof von Aiterhofen-Ödmühle ( Kreis Straubing-Bogen) in Niederbayern geborgen. In beiden Fällen war der Haarschopf mit einem Knochenkamm im Nacken zusammengesteckt gewesen. Ein Kammfragment aus dieser frühen Zeit kam auch im Gräberfeld von Sengkofen unweit von Regensburg zum Vorschein.
Die ältesten Schminkservices wurden vor mehr als 5000 v. Chr. von Frauen und Männern der Linienbandkeramischen Kultur in Europa benutzt. Dazu gehören eine steinerne Schminkplatte, Rötel- und Feuersteinknolle und Knochenspachtel.
Die ältesten Reste von "Klopapier" fand man in einer Seeufersiedlung am Bodensee in Deutschland aus der Zeit um 4000 v. Chr. Am Fundort Hornstaad-Hörnle I wurden Reste von Moospolstern entdeckt, die - wie
Untersuchungen im botanischen Labor des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg in Gaienhofen-Hemmenhofen zeigten - als "Klopapier" benutzt worden sind.
Die ersten Seifen wurden zwischen etwa 3000 und 2000 v. Chr. von den Sumerern in Mesopotamien benutzt. Dies beweist das früheste bekannte Seifenrezept, das eine Mischung von einem Teil Öl und fünfeinhalb Teilen Pottasche empfiehlt.
Die frühesten Spiegel aus Kupfer stammen aus Gräbern in Ägypten, die vor mehr als 2800 v. Chr. angelegt wurden. Die ersten Spiegel aus Bronze wurden um 2000 v. Chr. in Susa im heutigen Iran benutzt. Man hatte sie aus Bronze gegossen. Solche Spiegel wurden den Frauen mit ins Grab gegeben, offenbar sollten sie ihnen auch im Jenseits nützlich sein.
Der älteste schriftliche Hinweis auf Spiegel wird in einem frühen ägyptischen Text gegeben. Darin heißt es: "... die Frau, bis heute sah sie ihr Antlitz im Wasser, jetzt besitzt sie einen Spiegel aus Bronze ..."
Die ersten Rasiermesser aus Metall gab es ab der mittleren Bronzezeit um 1600 v. Chr. in Europa. Derartige Funde wurden unter anderem auch in Deutschland und Dänemark relativ häufig geborgen. Die Rasiermesser der damaligen Zeit bestehen aus ausgedengelter Bronze und haben messerartige bis halbmondförmige Gestalt. Man benutzte zwei- und einschneidige Rasiermesser. Bei ersteren wurde vorwiegend der Griff verziert, bei zweiteren neben dem Griff auch Blatt und Rücken. Experimente haben gezeigt, dass man mit bronzezeitlichen Rasiermessern gut die Kopf- und Barthaare schneiden konnte.
Die ältesten Pinzetten zum Entfernen lästiger Haare kennt man aus der mittleren Bronzezeit um 1600 v. Chr. in Europa. Sie wurden aus Bronze hergestellt.
Die ersten Spiegel Europas waren vor etwa 1500 v. Chr. auf der Mittelmeerinsel Kreta in Gebrauch. Vermutlich sind sie durch seefahrende phönizische Händler nach Kreta gelangt. Die frühesten Spiegel haben dort bronzene Scheiben und elfenbeinerne Griffe.
Die frühesten Rasiermesser aus Eisen wurden in der Mitte der Hallstatt-Zeit um 600 v. Chr. entwickelt. Damit rasierten sich die in weiten Teilen Europas verbreiteten Kelten.
Die ältesten Klappspiegel sind um 450 v. Chr. von etruskischen Metallhandwerkern hergestellt worden. Diese Bronzespiegel wurden auf der Rückseite mit Gravierungen geschmückt, die mythologische Szenen zeigen. Solche Spiegel hat man in großer Zahl in Gräbern gefunden.
Der älteste Spiegel Frankreichs kam im Grab einer keltischen Frau von La Motte Saint Valentin zum Vorschein. Dieser Bronzespiegel mit verziertem Knochengriff stammt aus der Zeit um 400 v. Chr.
Die ersten Glasspiegel sollen um 300 v. Chr. in Sidon im heutigen Libanon erfunden worden sein. Derartige Kostbarkeiten konnten sich damals aber nur besonders Begüterte leisten.
Die frühesten Bronzespiegel Mitteleuropas sind vor mehr als 300 v. Chr. angefertigt worden. Dazu zählen der frühkeltische Spiegel von Hochheim am Main in Hessen und ein ähnlich alter Fund von Reinheim im Saarland. In beiden Fällen wird die Spiegelscheibe aus Bronze von einer menschlichen Figur mit erhobenen Armen getragen.
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